Franz Huhnstock

Aufführung des Theaterstückes „Der goldene Ring“ 1959

 

Unser neues Bürgerhaus, die umgebaute alte Schule, trägt den Namen

„Bürgerhaus Franz Huhnstock“.

Diese Schule war die letzte Wirkungsstätte des Lehrers, Rektors und Heimatschriftstellers Franz Huhnstock.

Nachfolgend einige Lebensdaten von Franz Huhnstock und ein Vortrag, den sein Lehrerkollege Wilhelm Pferner im Jahre 2000, anlässlich der Buchvorstellung „Ein Päckchen Humor“, über seine Erinnerung an ihn gehalten hat.

 

Franz Huhnstock wurde am 16. Mai 1891 in Helmsdorf als Sohn eines Landwirts geboren.

1911 bestand er am Lehrerseminar in Duderstadt das Lehrerexamen.

1911 bis 1923 Volksschullehrer in Effelder.

1923 bis 1927 Hauptlehrer in Wachstedt.

1927 bis 1939 Rektor der Volksschule in Heyerode. Unter seine Regie erfolgte der Neubau der Schule, die damals als vorbildlich galt.

1939 Strafversetzung aus politischen Gründen nach Ellrich im Harz.

1946 bis 1953 Rektor und Begründer der Zentralschule Dingelstädt

1953 Absetzung als Rektor aus politischen Gründen, bis zu seiner Pensionierung 1958 arbeitete als Lehrer weiter an der Zentralschule.

Am 4.7.1965 verstarb er und wurde auf dem Rietstiegfriedhof in Dingelstädt beigesetzt.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit und seinem schriftstellerischen Schaffen war er in der Zeit der Weimarer Republik auch politisch aktiv. 1924 bis 1928 war er Abgeordneter des Zentrums im Provinzial-Landtag der preußischen Provinz Sachsen.

Bekannt wurde er vor allen durch die Veröffentlichung von über 500 Erzählungen, Kurzgeschichten und heimatkundlichen Beiträgen im „Eichsfelder Heimatborn“.

Daneben schrieb er auch mehrere Theaterstücke. Das bekannteste ist der „Der goldene Ring“, welches im Dreißigjährigen Krieg in Dingelstädt spielt und 1959 – zur 100-Jahrfeier der Stadterhebung – mehrfach aufgeführt wurde.

Das heutige Bürgerhaus war die letzte Wirkungsstätte des Lehrers, Rektors und Heimatdichters Franz Huhnstock. Er hat sich um unsere Stadt und das Eichsfeld insgesamt verdient gemacht. Deshalb ist es wichtig, auch künftige Generationen an seine Personen und sein Schaffen zu erinnern.

Dafür ist unser Bürgerhaus ein authentisches Zeugnis.

Literaturhinweise:

  • Bernhard Opfermann: Gestalten des Eichsfeldes – Ein biographisches Lexikon, Verlag F. W. Cordier, Heiligenstadt 1999
  • Franz Huhnstock: Ein Päckchen Humor –Ergötzliches, Besinnliches und Geschichtliches aus dem Eichsfeld, Herausgegeben vom Dingelstädter Verein für Heimatpflege, Mecke Druck und Verlag, Duderstadt 2000
  • Franz Huhnstock. Noch ein Päckchen Humor und Der goldene Ring, Herausgegeben vom Dingelstädter Verein für Heimatpflege, Mecke Druck und Verlag, Duderstadt 2002

 

Erinnerungen an F. H … ck

von Wilhelm Pferner

Ich sehe dieses Bild noch deutlich vor mir: Ein grau gekleideter älterer Herr, mittelgroß, grauhaarig, mit einer Blume im Revers seines Jaketts, steht auf dem „Stein“, der rechten Treppenbegrenzung am Haupteingang des alten Schulgebäudes gegenüber der Dingelstädter Pfarrkirche. Er steht nur dort – und wartet. Es ist das Ende der großen Pause. Hunderte von Kindern treten näher, versammeln sich ohne besondere Aufforderung um ihn, kommen alle zu Ruhe, hören zu, was er ihnen zu verkünden hat. Ein Bild, das an Pestalozzi und seine Zöglinge erinnert. Er, das ist der Rektor Franz Huhnstock, der Leiter dieser Schule von 1946 bis 1953. So, inmitten seiner Schüler, fühlte er sich am wohlsten.

Ich habe ihn das erste Mal gesehen, als die Prozession aus Dingelstädt an einem Pfingstmontag unter Glockengeläut in Helmsdorf einzog. Meine Mutter machte mich auf den neben den Schulkindern hergehenden Endfünfziger aufmerksam: „Das ist Franz Huhnstock, der aus Helmsdorf stammt.“ Damals ahnte ich noch nicht, dass er bald (1951), auch mein „Chef“ werden würde.

„Seine“ Schule, die vormalige Volksschule Dingelstädt, wurde 1946 auf Initiative von ihm in eine Zentralschule umgewandelt und war in den Nachkriegsjahren mit fast 1000 Schülern die größte des Kreises. In ihr wurden nun auch die oberen Jahrgänge von Silberhausen und etliche Jahre auch die von Kefferhausen mit unterrichtet. Schulfreundliche, interessierte Eltern aus Helmsdorf, Zella, Kallmerode und sogar Horsmar schickten ihre Kinder in die Zentralschule nach Dingelstädt. Und die Schüler von auswärts kamen freiwillig, gern – ohne Schulbus, mit dem Rad, sogar zu Fuß. Sie wollten mehr lernen als das in ihren Heimatschulen, den zweiklassigen Dorfschulen, möglich gewesen wäre.

Ich kann es mir heute kaum noch vorstellen, dass zu meiner ersten Klasse in Dingelstädt 54 Jungen gehörten, die da in den Viererbänken saßen. Aber in den stärksten Klassen waren bis zu 60 Schüler.

Für Franz Huhnstock war Dingelstädt die letzte Station seines pädagogischen Wirkens – und sicher ein Höhepunkt seines Lehrerdaseins.

Aber für uns junge Lehrer von damals war Dingelstädt mehr oder weniger die erste Station unserer schulischen Tätigkeit. Wir waren meist Anfang bis Mitte zwanzig, junge Menschen, die aber schon das Grauen des Krieges überstanden hatten, Verwundung, Gefangenschaft – wir waren froh, nun pädagogisch wirken zu können, waren aber ohne abgeschlossene Ausbildung. Da war mehr guter Wille als Wissen und Können vorhanden. Wir waren Lehrende, doch zugleich auch Lernende. Aber wir fanden in Franz Huhnstock einen guten Lehrmeister, der zwar über 30 Jahre älter als wir war, aber bereit, uns zu helfen. Und das tat er, indem er lobte und so ganz nebenbei wichtige Hinweise gab, die nicht den Charakter von Belehrungen hatten. Ich kann mich nicht entsinnen, dass es jemals harte Auseinandersetzungen mit ihm gab. Mit seinem Verstehen und seiner Fähigkeit, sich in andere Menschen hinein zu fühlen, nahm er Meinungsverschiedenheiten die verletzende Spitze.

Ich sehe ihn in der Erinnerung vor einer Klasse stehen und unterrichten. In den Gängen des Klassenzimmers saßen fast alle jungen Lehrer der Schule, aufmerksam verfolgend, wie ihr Chef den Lehrstoff meisterte, nicht nur pädagogisch-methodisch, sondern vor allem auch emotional. Wie er es verstand, die Schüler in den Bann zu ziehen, vor allem in seinen Fächern Deutsch und Geographie. Er konnte das in unnachahmlicher Weise, und er tat es gern. Es machte ihm Freude.

Wir lernten von ihm, und er freute sich über unsere Fortschritte. Nur in einer Sache zeigten wir uns als Lernunwillige, als Bildungsmuffel und Nieten. Franz‘ Eifer beim Kartenspiel, vor allem beim Doppelkopf und auch beim Skat, konnten wir absolut nichts abgewinnen – und so musste er resignierend unsere Unlust beim Kartenspielen akzeptieren. Junge Männer bevorzugten da andere Spiele.

Die optimistische Lebenseinstellung unseres Chefs zeigte sich in einem Satz, den er gelegentlich zu sagen pflegte: „ Heiter der Schüler, heiterer der Lehrer, am heitersten der Direktor.“ Über den Stand des Lehrers äußerte er sich so: „Ein richtiger Lehrer wird in den Ferien geboren, er heiratet in den Ferien, seine Kinder werden in den Ferien geboren, und er stirbt in den Ferien.“

Dass Franz Huhnstock auch den Kontakt zu seinen Lehrern suchte, zeigte sich daran, dass er während der Pausen stets im Lehrerzimmer zu finden war. So konnte er mit den meisten Lehrern sprechen und vieles so nebenbei erledigen.

In seinem Klassenraum hing an auffälliger Stelle sein Wahlspruch für die Schule mit der Aufforderung an die Schüler: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“. Dieser Spruch, der in früherer Zeit – meist in lateinischer Form – über dem Portal so mancher Schule zu lesen stand, sollte den Schülern sogleich beim Betreten des Gebäudes die Erkenntnis vermitteln, dass der Unterricht kein Selbstzweck sei, sondern auf das spätere Leben vorbereiten solle. Er geht auf eine allerdings ironische Feststellung des Schriftstellers Seneca zurück. Hier lautet der Satz dann: „Nicht für das Leben, für die Schule lernen wir.“ Er übte damit vor 2000 Jahren Kritik an den Philosophenschulen jener Zeit, die nach Senecas Meinung „Schulweisheit“ statt „Lebensweisheit“ lehrten.

Franz Huhnstock aber verstand den Sinn allen schulischen Lernens in der Vorbereitung der Schüler auf das spätere Leben.

Er war ein gestandener Schulmann mit reicher Lebenserfahrung, der aber im verflossenen „Tausendjährigen Reich“ manchen Tiefschlag hinnehmen musste, manche Diffamierung und auch eine Strafversetzung im Jahre 1939 von Heyerode nach Ellrich. Von dem Ort, an dem er seine ganze Kraft für den Bau einer neuen Schule eingesetzt hatte, wurde er verwiesen, fort vom Eichsfeld, an dem sein Herz hing.

Auch seine Abdankung als Rektor der Zentralschule Dingelstädt war alles andere als freiwillig. Er sollte eben nicht mehr als Leiter der größten Schule des Kreises vorstehen; seine politische Haltung als Christ, aus der er auch keinen Hehl machte, war missliebig.

So kam es zu einer heute kaum noch vorstellbaren Sondersitzung des Lehrerkollegiums der Zentralschule im Frühjahr 1953, in der Zeit nach Stalins Tod am 5. März 1953 und einige Wochen vor dem Aufstand vom 17. Juni 1953.

Verschlossene Schultüren, lautstarke Auftritte von führenden Funktionären aus Erfurt und vor allem aus Worbis, Vorwürfe, Anschuldigungen, Behauptungen, immer wieder. Eingeschüchterte junge Lehrer, die ihrem „Chef“ gern geholfen hätten, aber die nicht wussten, wie sie ihm helfen konnten.

Es gibt kein Protokoll über diese „Inszenierung“, mir ist jedenfalls keines bekannt. Aber das Ergebnis kann man erahnen: ein wegen seines „angeschlagenen Gesundheitszustandes zurückgetretener“ Schulleiter Franz Huhnstock., dem allerdings „gewährt“ wurde, noch als Lehrer an der Zentralschule unterrichten zu dürfen. Das tat er auch bis 1958.

Den neuen Direktor hatte man gleich mitgebacht, der war aber dieser Stellung in Dingelstädt in keiner Weise gewachsen, so dass bald ein neuer Wechsel erfolgte.

Es wurde ruhiger und stiller um Franz Huhnstock. Ein Höhepunkt in seinem Leben war dann sein Wirken zum 100jährigen Stadtjubiläum Dingelstädts im Jahre 1959. Zu diesem Jubiläum schrieb er sein geschichtliches Schauspiel „Der goldene Ring“. Sein Werk wurde trotz mancher Querelen mit großem Erfolg mehrfach im Deutschen Haus und im Sommer auch auf dem Kerbschen Berg und in Heyerode aufgeführt. Der optimistische Schlusssatz des Werkes entspricht ganz der Lebensauffassung seines Verfassers.

Ich selbst war keiner der Mitwirkenden, ich saß im Souffleurkasten vor der Bühne mit sehr kalten Füßen und wachte darüber, dass keiner der Akteure stecken blieb. Ich sollte sofort helfend einspringen, wenn ein Darsteller ins Stocken kam. Es war aber eine absolut überflüssige Tätigkeit, die ich ausübte: Alle Mitwirkenden waren mit solcher Inbrunst und Konzentration bei ihrer Sache, dass niemand den Faden verlor. Dafür sorgte auch der Autor des Stückes als Regisseur hinter den Kulissen.

1958 nahm Franz Huhnstock endgültig Abschied von der Schule. Unvergessen unser letzter Besuch bei ihm. Als wir an seinem Krankenbett standen, fand er frohe Worte. Manchen nahm er sogar auf die Schippe. Nicht wir trösteten ihn – sondern er uns. Er wusste um seine Krankheit. Er hatte sich gerühmt, nie wirklich krank gewesen zu sein. Seine erste große Krankheit war auch seine letzte.

Kurz vor den Sommerferien 1965 trugen wir ihn, unseren väterlichen Freund und Lehrmeister, zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Rietstiegfriedhof.